Good-Practice-Beispiele

Surur Abdul-Hussain und Roswitha Hofmann (2013)

Diversitätsmanagement wird in den letzten beiden Jahrzehnten auch in Österreich als Strategie zum konstruktiven Umgang mit Vielfalt in Organisationen wahrgenommen. Zunächst wurde Diversitätsmanagement in größeren Unternehmen, Organisationen und Vereinen, aber zunehmend auch in Klein- und Mittelbetrieben implementiert. Hier finden Sie einige Implementierungsbeispiele sowie weiterführende Links. Die Beispiele können als Anregung für den Umgang mit Diversitäten in der eigenen Organisation dienen.

 

Anlässe für Diversitätsmanagement in Österreich

Die Umsetzung von Diversitätsmanagement in Österreich hat vielfältige Bezüge:

 

  • EU-geförderte Maßnahmen machen häufig die Umsetzung von Diversitätsmanagement zur Bedingung. Damit haben sie beispielsweise Einfluss auf die Umsetzung der Maßnahmen im arbeitsmarktpolitischen Bereich der Erwachsenenbildung.
  • Politische Entscheidungen wie die Österreichische Strategie zum lebensbegleitenden Lernen 2020 (LLL:2020) definieren Gender- und Diversitykompetenz als Grundprinzip für alle Maßnahmen.
  • Empowermentbewegungen in Österreich gründeten Organisationen im Bereich der Erwachsenenbildung und entwickelten vielfältige Angebote.
  • Wissenschaftlich und theoretisch baut Diversitätsmanagement in der Erwachsenenbildung auf bestehenden Ansätzen auf und vernetzt diese: zum Beispiel lebenslanges Lernen, interkulturelle Erwachsenenbildung, Gender Mainstreaming in der Erwachsenenbildung und barrierefreie Erwachsenenbildung.
  • Erwachsenenbildung im Kontext der Gemeinwesenarbeit, der "Community Education", unterstützt die Selbstermächtigung und Partizipation marginalisierter Gruppen. Sie ist damit eine weitere Säule von Diversitätsmanagement in der Erwachsenenbildung.
  • In die betriebliche Erwachsenenbildung von privatwirtschaftlichen Unternehmen findet Diversitätsmanagement häufig als Anforderung der multinationalen Konzerne Eingang. Diesen sollen auch österreichische Niederlassungen Folge leisten.


Im Folgenden werden Beispiele aus diesen Bezügen vorgestellt.

Initiative Minderheiten

Die Initiative Minderheiten besteht seit 1991 und ist eine Nichtregierungs- und Non-Profit-Organisation. Der Begriff Minderheiten wurde schon bei der Gründung breit angelegt und kann im besten Sinne eines antidiskriminatorischen Diversitätsmanagements verstanden werden. Minderheit wird bei der Initiative Minderheiten folgendermaßen definiert: "Eine Minderheit bilden Personen, die aufgrund ihrer ethnischen, sozialen oder religiösen Zugehörigkeit oder sexuellen Orientierung Diskriminierung erfahren. Diskriminierung ist politisch als Ausschluss von bestimmten Rechten zu sehen, sozial als die Erfahrung von Vorurteilen und Ausgrenzungen. Dazu gehören in Österreich unter anderem die gesetzlich anerkannten Volksgruppen, Migrant_innen, Asylwerber_innen und Flüchtlinge, Lesben, Schwule und Transgender (Queers) und Menschen mit Behinderung. Die Grundlage für diese Definition ist nicht die geringere Zahl der Gruppenmitglieder, sondern ihre geringere Macht gegenüber einer hegemonialen Mehrheit. Diese Betonung der gemeinsamen Anliegen blendet die Unterschiede, die verschiedenen Anliegen, Probleme und Bedürfnisse der einzelnen Gruppen nicht aus."


Die Initiative Minderheiten entwickelt gesellschafts-, bildungspolitische und kulturelle Projekte und setzt diese auch um. Sie versteht sich als Plattform, Netzwerk und Vermittler_in für Minderheiten in Österreich und bildet daher "minoritäre Allianzen", um gesellschaftspolitische Anliegen durchzusetzen. Sie kooperiert dafür eng mit Vereinen, Organisationen und Einzelpersonen aus dem Minderheitenbereich, orientiert sich an deren Bedürfnissen und hat Büros in Wien und Innsbruck. Die Initiative Minderheiten hat sich das Ziel gesetzt, für eine minderheitengerechte Gesellschaft einzutreten, "in der individuelle Lebensentwürfe unabhängig von Merkmalen wie ethnischer, sozialer oder religiöser Zugehörigkeit, sexueller Orientierung und Behinderung als gleichberechtigt und gleichwertig anerkannt sind. Eine Gesellschaft ist nur dann minderheitengerecht, wenn sie die verschiedenen Lebensentwürfe gleichmäßig und gerecht ermöglicht und fördert."

 

Um dieses Ziel zu erreichen setzt die Initiative Minderheiten vielfältige Strategien ein:

 

  • Theoretisch fundierte Information: Zeitschrift "Die Stimme" (sie ist auch als Theorieentwicklungsort zu sehen), Bibliothek, Medien (Publikationen, Radio und Internet) für Interessierte, Schulen, Universitäten und Erwachsenenbildung
  • Weiterbildungsangebote: Ausstellungen (z.B. "Gastarbejteri"), Beratung bei Projekten im Minderheitenbereich, Fachauskünfte, Kuratierung von Veranstaltungen, Schaffung von Orten der Begegnung, Sommerhochschulen, kulturelle Veranstaltungen, Workshops zum Thema Minderheiten und Seminare für Erwachsenenbildungseinrichtungen
  • Forschung und Theorieentwicklung: Projekte wie zum Beispiel "ROMBAS" zur Bildungs- und Ausbildungssituation von Roma und Sinti in Österreich etc.
  • Politisches Lobbying: Mitarbeit in politischen Gremien und NGO-Netzwerken, Stellungnahmen zu minderheitenpolitischen Fragen, Pressearbeit


Als Zielgruppen angesprochen werden die Minderheiten, aber auch die Mehrheit. Die Stärke der Initiative Minderheiten liegt in ihrem interdisziplinären und multimedialen Vorgehen mit einem emanzipatorischen und inklusiven Anspruch. Besonders beeindruckend ist die Umsetzung von Inklusion in der Repräsentation von Minderheitenzugehörigkeiten auf allen Ebenen des Vereins.

 

equalizent Schulungs- und Beratungs GmbH, Wien

equalizent bietet als Schulungsinstitut mit Schwerpunkt Erwachsenenbildung gehörlosen und schwerhörenden Personen sowie Menschen mit anderen Behinderungen Schulungen, Seminare und Kurse an. Diese sollen deren Chancen am Arbeitsmarkt und ihre Entwicklungsmöglichkeiten erweitern. Hörende Personen können bei equalizent ihre Kompetenzen im Umgang mit gesellschaftlicher Vielfalt und Kommunikation ausbauen, zum Beispiel durch das Erlernen der österreichischen Gebärdensprache. Unternehmen wird Beratung und Begleitung bei der Handhabung ihres "vielfältigen" Personalmanagements angeboten.


Die Barrierefreiheit des Lernens und Arbeitens ist für equalizent wichtig. Das Unternehmen stellt dafür

 

  • Peer-Councelling (Beratung von/für Betroffene/n),
  • bauliche Maßnahmen für die optimale Zugänglichkeit der Räume sowie
  • technische Hilfsmittel zur verbesserten Kommunikation zur Verfügung, wie zum Beispiel induktive Höranlagen, spezielle Lichtanlagen, versenkbare Bildschirme.


Bei equalizent wird die Vielfalt in der Belegschaft eingesetzt, um den Kunden und Kundinnen die besten und passendsten Leistungen bieten zu können.

Diversitätsmanagement bei equalizent

equalizent wurde 2004 gegründet. Bereits in den ersten beiden Jahren des Bestehens wurde Diversitätsmanagement als Projekt fest im Unternehmen verankert. Zentral waren dabei das Commitment der Geschäftsführerin und die Einbindung der Mitarbeiter_innen in die Entwicklung des Diversitätsmanagements (Schefzig 2011).


2005 wurden in regelmäßigen Arbeitsgruppen der Mitarbeiter_innen Ziele und Maßnahmen des Diversitätsmanagements diskutiert und definiert. Die Ergebnisse dieser Arbeit wurden in die Diversity Score Card sowie in die Unternehmensphilosophie übersetzt. Equalizent bezieht alle sechs Kerndimensionen in sein Diversitätsmanagement ein. Inklusion wird u.a. dadurch erreicht, dass Gebärdensprache und Deutsch als Arbeitssprachen gelten, bauliche Barrierefreiheit hergestellt wurde, Männer und Frauen gleich bezahlt werden, Recruiting und Karriereplanung für Kerngruppenangehörige erfolgt und flexible Arbeitszeiten zur Vereinbarkeit von Arbeit und Familie möglich sind (Schefzig 2011).


Als Instrumente im Rahmen des Diversitätsmanagements werden Tools eingesetzt, die aus dem Projektmanagement, der Organisationsentwicklung, dem Konfliktmanagement, der Personalentwicklung, der Unternehmenskommunikation, der Angebotsentwicklung, dem Empowerment in der Erwachsenenbildung und dem Controlling bekannt sind (Schefzig 2011).

 

Wiener Volkshochschulen GmbH

Die Auseinandersetzung mit und die Umsetzung von Diversitätsmanagement in den Wiener Volkshochschulen ging federführend von der VHS Ottakring aus. Sie nutzte EU-Förderprogramme, um Diversitätsmanagement an der VHS Ottakring umzusetzen.

 

Ihre Ziele waren:

 

  • die Kreativität und Ressourcen aller zu nutzen,
  • Teamarbeit zu fördern,
  • neue Kund_innengruppen zu erschließen,
  • die Personalakquise stärker an den Kund_innen auszurichten,
  • eine neue Auseinandersetzungskultur im Unternehmen zu entwickeln und zu etablieren. Diese Kultur beinhaltet, Differenzen zur Sprache zu bringen, sie aktiv in den Unternehmensalltag einzubinden und zu nutzen.


In der VHS Ottakring ist es gelungen, alle diese Ziele umzusetzen. Eine wesentliche Grundlage dafür war es, organisierte und selbstorganisierte Feedbackschleifen einzuführen. So können die Mitarbeiter_innen ihre Differenzen ansprechen, Missverständnisse klären und ihre Konfliktklärungskompetenzen stärken. Auf diese Weise ist es gelungen, Mitarbeiter_innen mit unterschiedlichen Diversitätszugehörigkeiten für die Zusammenarbeit zu gewinnen. Das Angebot wurde auf vielfältige Zielgruppen ausgerichtet. Die VHS Ottakring hat sich vor allem im Feld der Basisbildung mit ihrem differenzierten modularen Angebot einen Namen gemacht. Nicht zuletzt hat die VHS Ottakring mit Tagungen, Lehrgängen und zahlreichen Kooperationen den Diskurs zu Diversitätsmanagement in Österreich unterstützt. Die VHS Ottakring wurde zum Vorbild für andere Volkshochschulen in Wien und vieles wurde als Standard übernommen.


Die Wiener Volkshochschulen GmbH hat die Vision einer offenen und sozial gerechten Gesellschaft in ihrem Leitbild formuliert. Sie tritt dafür ein, dass es Bildungschancen für alle Menschen geben muss. Denn alle Menschen sollen ihre Potenziale voll entfalten und aktiv an der Gesellschaft teilhaben können. Zudem treten die Wiener Volkshochschulen bewusst gegen Diskriminierung und Ausgrenzung auf, sind lokal präsent und eng vernetzt.

 

Sie haben seit 2008 eine Diversitybeauftragte. Die Direktor_innen der Bezirksstandorte haben unterschiedliche Diversitätsbezüge und repräsentieren somit Vielfalt auf der Leitungsebene. Die Volkshochschulen haben großteils barrierefreie Zugänge und planen Umbauten dort, wo dies noch nicht der Fall ist. Darüber hinaus bieten sie Lernhilfen der verschiedensten Art an.

 

IBM Österreich Internationale Büromaschinen Gesellschaft m.b.H, Wien

IBM wurde 1911 gegründet und ist heute ein weltweit führendes US-amerikanisches IT- und Beratungsunternehmen mit Hauptsitz in den USA.
Diversity & Inclusion ist Bestandteil der IBM-Unternehmenspolitik und in der Managementpraxis fest verankert. Diversität soll dabei nicht nur akzeptiert werden, sondern auch Vorteile für das Unternehmen bringen. IBM geht davon aus, dass ein offenes und inklusives Arbeitsklima, das frei von Diskriminierung ist, die Motivation und damit auch die Produktivität der Mitarbeitenden steigert (Gaugl 2011).


Als wichtigste Grundlage für die erfolgreiche Umsetzung von Diversitätsmanagement gilt das Commitment des Managements. Die Diversitystrategie wird daher von der Geschäftsleitung als einer der Organisationsgrundsätze kommuniziert.


Die grundlegenden Prinzipien von Diversity & Inclusion müssen zudem von allen Mitarbeiter_innen mitgetragen und gelebt werden. Dafür muss der "Value Add", also die Vorteile, die sich aus Diversität & Inklusion ableiten lassen, für alle Mitarbeiter_innen nachvollziehbar sein. IBM hat Diversity Councils eingerichtet und Executive Sponsors ernannt, die die Bedeutung des Themas für alle Mitarbeiter_innen transparent machen (Gaugl 2011).

Diversitätsmanagement bei IBM Österreich

Das Diversitätsmanagement zieht sich durch alle Unternehmensbereiche (Recruiting, Weiterbildung, etc.) und ist auf die lokalen Bedarfe ausgerichtet. In Österreich liegt der Schwerpunkt auf Gender (Frauenförderung), Menschen mit Behinderung, kulturellen Unterschieden, sexueller Orientierung und Work-Life-Integration. IBM hat für diese Bereiche eigene Netzwerkgruppen eingerichtet, die Unterstützung bieten sowie Weiterbildungen und Maßnahmen zur Bewusstseinsbildung organisieren. Eine Diversitybeauftragte koordiniert die entsprechenden Initiativen in der Niederlassung. Als wichtig wird der internationale Austausch von "Best-Practices" erachtet. Ein global agierendes Diversity Council überprüft dabei in regelmäßigen Abständen die Aktivitäten in den unterschiedlichen Ländern und unterstützt mit Vorschlägen (Gaugl 2011).

 

 

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Weitere Informationen

Weitere Good-Practice-Beispiele

Quellen

  • equalizent (o.J.): CSR Profil. »Link
  • equalizent (o.J.): Diversity Management. »Link
  • Diversity Referat WK Wien (2013): "Wir schauen über unseren Alltag drüber!" Interview mit Mag. Monika Haider, Geschäftsführerin von equalizent.
  • Diversity Referat WK Wien (2013): "Die Aufgaben sind sehr vielfältig und abwechslungsreich". Interview mit Mag.a (FH) Dagmar Gaugl, Diversity-Beauftragte von IBM Österreich.
  • Gaugl, Dagmar (2011): Diversity Management bei IBM Österreich. In: Pauser, Norbert/Wondrak, Manfred (Hg.): Praxisbuch Diversity Management. Wien: facultas.wuv, S. 339-347.
  • Judy, Michaela (2011): Personale Vielfalt und funktionale Verbindlichkeit: eine Wiener Volkshochschule. In Pauser, Norbert/Wondrak, Manfred (Hg.): Praxishandbuch Diversity Management. Wien: facultas.wuv, S. 401-409.
  • Schefzig, Nadja (2011): Equalizent GmbH: Diversity Management in Klein- und Mittelbetrieben am Beispiel einer Bildungseinrichtung. In: Pauser, Norbert/Wondrak, Manfred (Hg.): Praxisbuch Diversity Management. Wien: facultas.wuv, S. 369-380.